Endlich geht es meinem Magen wieder besser! Ich habe das Gefühl wieder Bäume ausreißen zu können. Wir packen zusammen und stopfen hastig das Frühstück in uns rein, da wir uns beeilen müssen, um den angepeilten Bus zu erreichen. Da wir vom Ort Barskoon aus in die Berge wollen und jener achtzig Kilometer in genau die Richtung liegt, aus der wir auf dem Hinweg gekommen sind, haben wir keine Lust die selbe Strecke noch einmal zu radeln. Taalai, der englisch sprechende Sohn bietet uns freundlicherweise an, an der Bushaltestelle die Angelegenheit der Fahrradmitnahme zu klären. Eine halbe Stunde vor Abfahrt werden dankbar die Hände geschüttelt und wir schießen auf dem Rad bergab in Richtung Bushaltestelle. Ungünstigerweise liegt diese natürlich am anderen Ende der Stadt. Taalai steigt stattdessen in den Minibus und meint er sei auch gleich da.
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Der Bus | Angebrochene Felge |
An der Busstation gibt es alles, nur keinen Taalai und die Uhr geht mittlerweile auf viertel vor acht zu. Aus keinem der Minibusse steigt er aus. Verdammt! Das kann doch nicht wahr sein. Während ich draußen auf ihn warte, begibt Korbinian sich schon zum Verkaufsschalter, um sich selbst um ein Ticket zu kümmern. In just dem Moment sehe ich von weitem jemanden die Straße in voller Geschwindigkeit entlang laufen. Es ist Taalai, der feststellen musste, dass kein Minibus in diese Richtung fährt. Stattdessen ist er die ganzen Kilometer hier her gelaufen. Zusammen erklären wir, dass wir auch noch zwei Räder dabei haben und der Busfahrer meint, wir sollen sie nicht unten in das Gepäckfach tun, da das viel zu gefährlich sei. Stattdessen kommen sie ganz nach hinten in den Innenraum des Busses und wir nehmen direkt daneben Platz. Auch Taalai ermuntert uns noch einmal die Räder nicht aus den Augen zu lassen! Dann rollt der klapperige Bus mit einer dreifach angebrochenen Felge los. Während es am Anfang noch relativ leer ist, steigen immer mehr Leute zu und bald sind es so viele, dass selbst der Gang voll mit stehenden Leuten ist. Wer den Bus verlassen möchte, muss rechtzeitig anfangen sich den Weg zum Ausgang frei zu kämpfen.
Im Gang stehen auf unserer Höhe zwei Mädels, die recht interessiert an uns sind. Eine der beiden nervt ständig das neben mir sitzende Kind, ob sie nicht einmal kurz dort sitzen könnte. Als das Mädel endlich nachgibt, müssen wir auch schon aussteigen. Nur die Frage nach der Uhrzeit kann ich ihr noch schnell beantworten...
Während der Busfahrer schon die Räder auslädt, schmeißen wir die Taschen hinterher. Als ich den Bus verlasse ist mein Rad allerdings weg. Moment mal?! Das gibt’s doch gar nicht! Eben war es doch noch da! Ich blicke nach links und rechts und sehe gerade noch einen Kirgisen damit wegfahren. Er ist bestimmt schon hundert Meter weiter. Ich will ihm gerade hinterherlaufen, als der Busfahrer mich am Arm hält und glaubt er könnte mich mit den Worten „er kommt gleich wieder“ beruhigen. Na, das sagt sich so leicht. Immerhin ist das mein Rad. Tatsächlich dreht der Mann aber um und ich nehme schnaubend mein Rad entgegen. Er hätte ja wenigstens fragen können!
Wir bepacken unsere Räder und radeln anschließend durch Barskoon. Kurz nach dem Ort verlässt uns der Asphalt und wir haben eine gut gepflegte Piste vor uns. Diese Straße führt direkt zur kanadischen Goldmine der Kumtor-Gesellschaft, welche tief in den Bergen des zentralen Tien-Shan verborgen ist. Dementsprechend sind die Straßenqualität und das Verkehrsaufkommen. Viele Fahrzeuge überholen uns und wirbeln dabei gigantische Staubfahnen auf. Neben der Straße steht auch ein riesiger Bagger, in dessen Schaufel Korbinian locker Platz findet.
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500 Meter über dem Issyk-kul | Pause | Gold im Fluss |
Bald fällt der Blick auf den Issyk-kul zurück, der mittlerweile schon fünfhundert Meter tiefer liegt. Das Wetter ist heute allerdings nicht besonders prächtig. Hohe Wolken verdecken den Blick auf die Sonne und obwohl wir im Schatten fahren, schwitzen wir tierisch. Als wir eine Pause an einem Fluss machen um Wasser zu filtern, stellen wir fest, dass der ganze Fluss voll mit kleinen glitzernden Metallen ist: Gold! Nicht nur dort wo das Gold in großen Massen abgebaut wird ist welches zu finden, auch in den restlichen Bergen scheint es überall Spuren davon zu geben.
In Mangel an Alternativen müssen wir aus einem sehr viel Dreck führenden Bach noch einmal Wasser filtern, was den Filter merklich zusetzt und das wiederum führt dazu, dass wir in den nächsten Tagen immer mehr Kraft aufwenden müssen um das Gerät zu betätigen.
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An der Schranke |
Als wir an einer Schranke vorbeikommen, treffen wir einen jungen Mann mit seinen Kindern. Er sei hier der Kontrolleur. Wir schütteln Hände und er erzählt, dass hier vor ein paar Tagen zwei Holländer vorbeigekommen seien. Auch erzählt er uns etwas weniger erfreuliches. Bis zum ersten Pass sind es ganze 14 Kehren.
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Die ersten Kehren erscheinen am Hang |
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In den Kehren (Foto: Korbinian Weiß) |
Als wir uns mit schweren Beinen die vierzehn Kehren auf 3100 Meter hochgequält haben, haben wir einen traumhaften Blick auf die vergletscherten Berge vor uns. Und auf eine russische Diva, die vor dem Passschild steht, von dem wir eigentlich ein Foto machen wollen. Die Schuhe der Frau sind mit Pfennigabsätzen perfekt für das Gebirge geeignet, das Kleid weht im Wind und der Hut mit der großen Krempe schützt das empfindliche Haupt vor der nicht vorhandenen Sonne. Nicht zu vergessen bleiben der grell geschminkte Mund und ein hässlicher Hund auf dem Arm. So steht sie da nun im Windschatten des Passschildes und wartet auf den Rest der Familie, der sich gerade fotografierend vom Auto entfernt hat. Eine Viertelstunde warten wir. Nun, so langsam würden wir das Passschild ganz gerne mal fotografieren bevor es dunkel wird. Die drei Schritte zum Auto zu laufen, wäre ja auch zu viel für die Dame. Irgendwann fotografiere ich einfach die Frau mit dem Schild zusammen. Die Situation ist schon so kurios, dass ein solches Foto mehr aussagt, als nur das Schild alleine...
Plötzlich fragt die Frau uns, wo wir denn herkämen. Und das überraschenderweise auf Englisch. Wir erzählen, dass wir aus Deutschland sind und bekommen ein Brot sowie Süßigkeiten geschenkt. Schließlich sei Deutschland ja so toll. Selbst die beiden Halbstarken steigen aus dem Auto aus und geben sich in Siegerpose: „Germanija super!“ tönt es immer wieder. Als die Touristen mit ihren Autos unter langem Winken wieder verschwunden sind, stellen wir unser Zelt auf dem Pass auf, kochen und fallen dann ins Bett.
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Bergauf | Endlich das Zelt aufstellen |