"Do not follow where the path may lead...go instead where there is no path and leave a trail"
hinter Pass Ara-Bel - inmitten der Wildnis

In der Nacht wird es bitterkalt. In unseren Schlafsäcken bekommen wir davon zwar nichts mit, aber immerhin sind alle Regentropfen am Zelt festgefroren und das Wasser in den Flaschen besteht mehr aus Eis als aus Flüssigkeit. Als die Sonne endlich ihren Weg über die Bergspitzen gefunden hat, lassen wir uns in ihren wärmenden Strahlen nieder, um zu frühstücken.

Es hat gefroren in der Nacht

Dann begeben wir uns wieder auf den Pfad, neben dem wir nur wenige Meter unser Zelt aufgestellt hatten. Das hätten wir wohl woanders auch nicht gewagt, doch gehen wir davon aus, dass hier inmitten der Wildnis niemand in der Nacht vorbeikommen wird.

Einige Kilometer weiter erreichen wir ein riesiges Flussdelta mit zahlreichen Seitenarmen und Geröllfeldern. Dahinter ragen gleich die schneebedeckten Viertausender auf. Eine Brücke gibt es hier natürlich nicht. So versuche ich auf einigen Steinen zu balancieren, während ich mein Rad langsam schiebe. Allerdings sind die Steine verdammt rutschig... Platsch! Scheiße! Die ganzen Schuhe sind vom eiskalten Wasser pitschenass. Das Spiel wiederholt sich an den nächsten Flüssen noch einige Male und wir verlieren insgesamt viel Zeit.

Unterwegs auf Reifenspuren im Nirgendwo

Mit durchweichten Schuhen folgen wir dem Weg anschließend auf der rechten Uferseite. „Weg“ ist mittlerweile wirklich schon ein überdimensionierter Begriff. Während am Anfang ein richtiger Weg zu erkennen war, ist das Gras jetzt nur noch niedergedrückt und etwas verfärbt. Jedoch haben wir nie Probleme den weiteren Verlauf zu erahnen – auch wenn unsere Blicke mehr mit der eigentlichen Gefahr der Reise beschäftigt sind. Murmeltierbauten, deren Löcher teilweise so groß wie Medizinbälle sind, zieren die gesamte Wegstrecke. Wessen Vorderrad dort hineinrutscht, für den ist die Reise sicherlich schneller als gewünscht zu Ende.

Vorsicht Murmeltierbau! Schädel vom weiblichen Marco Polo Schaf Picknick!

Nachdem wir für heute noch keinen einzigen Menschen getroffen haben, sehen wir dann endlich eine Gruppe Reiter. Schnell stellt sich heraus, dass es eine Gruppe englischer Touristen ist, die per Führer und Pferd das Land erkunden. Die Sherpas sind gerade dabei das Mittagessen für die Gruppe zu richten und so werden wir dazu aufgefordert auch Platz zu nehmen. Es gibt Chay, geräucherten Käse, Brot, Marmelade... einfach alles! Nach unseren spartanischen Frühstücken der letzten Tage, freuen wir uns sehr über das gute Essen. Nach der Nahrungsaufnahme möchte einer der Sherpas unbedingt mein Fahrrad ausprobieren und ich lasse ihn. Allerdings scheint er nicht ganz einsehen zu wollen, dass das Fahrrad nicht auf die Geräusche reagiert, auf die sein Pferd reagieren würde. Trotzdem lässt er es sich zur Belustigung der gesamten Gruppe nicht nehmen immer wieder angedeutete Peitschenhiebe und laute Schreie loszulassen. Mit einem „Brrrr“ kommt er bei der Betätigung der Bremsen wieder zum Stehen und alles muss lachen.

Askhat muss mein Rad ausprobieren

Dann meint er, ich müsste jetzt zum Ausgleich auch sein Pferd ausprobieren. Ups! Und das wo ich noch nie auf einem Pferd gesessen habe. Hätte er doch bloß Korbinians Rad probiert. Aber was wäre es nach Kirgistan, ins Land der Reiter zu fahren ohne selbst einmal auf einem Pferd gesessen zu haben? ! Na eben...

Nachdem ich mich auf den Pferderücken gequält habe, bewegt sich das Pferd natürlich noch lange nicht. Es bedarf einiger Erklärungen, doch dann läuft es einigermaßen und ich drehe schleppend ein paar Kreise - per Pferd! Askhat, dem Sherpa scheine ich aber zu langsam unterwegs zu sein und so steigt er zu mir aufs Pferd, um dann zusammen noch einmal richtig Gas zu geben...

Yiiiha! Reiten mit Askhat!
Einige Kilometer weiter, als sich das Flusstal bereits erstaunlich verbreitert hat, treffen wir tatsächlich auf eine Brücke und stehen vor der schwierigen Frage auf welcher Seite des Flusses wir unsere Fahrt fortsetzen sollten. Da laut Karte die linke Seite geeigneter erscheint, queren wir den Fluss und landen bald auf einem katastrophalen Pfad, der teilweise so unscheinbar ist, dass wir zwei Mal hinsehen müssen, um zu erkennen, wo es weiter geht. Nach weiteren Flussdurchquerungen, die wie immer mit nassen Füßen einhergehen und nur 45 Kilometern sind wir so erschöpft, dass wir unser Zelt aufbauen. Als wir gerade ins Bett gehen wollen, reiten noch zwei Hirten vorbei. Hoppla. Hoffentlich kommen die heute Nacht nicht wieder, um uns etwas Böses zu wollen. Schließlich wären wir hier inmitten des Nirgendwo recht aufgeschmissen. Während der Nacht reiten dann später noch vier weitere Reiter vorbei – gekümmert hat sich allerdings niemand um uns. Vielleicht sollten wir langsam endlich lernen unsere bis jetzt immer unbestätigten Ängste und Vorurteile abzubauen...
Mitten im Nirgendwo I Mitten im Nirgendwo II