Kirgistan, wir kommen
Bishkek

Nach ein paar eingedösten Momenten kommt bald der Zeitpunkt des Landeanfluges. Die gesamte Zeit vorher waren Himmel und Erde gleichermaßen pechschwarz. Der Horizont war nicht zu erkennen. Doch dann tauchen immer mehr Lichter auf und alles geht ganz schnell. Schon stehen wir auf dem Vorfeld. In der Schwärze der Nacht weht die rote kirgisische Flagge mit der gelben Sonne drauf. Wir sind also tatsächlich da...

Nach der Passkontrolle gibt es dann an der Gepäckausgabe eine böse Überraschung. Die Räder kommen einfach nicht an. Obwohl wir ewig warten, passiert einfach nichts! Mein schlechtes Gefühl, was ich schon im Flieger hatte, scheint sich also zu bestätigen. Die Räder sind noch in Moskau. Ein Mädchen übersetzt uns freundlicherweise die Worte der Angestellten, da hier absolut niemand Englisch spricht.

Morgen sollen sie im nächsten Flieger mitkommen. Wunderbar! Ist ja wieder nur um halb vier in der Nacht. Aus Protest füllen wir keine Zolldeklaration aus und haben Glück, dass sich für diese auch niemand interessiert. Als wir frustriert den Gepäckrückgabebereich verlassen, stürmen auch noch fünfzig Taxifahrer auf uns ein: „Taxi to Osh? Taxi? Bishkek?“ Die Fahrer stehen so dicht gedrängt vor der Tür, dass wir unsere Probleme haben überhaupt aus der selbigen zu kommen. Einer der Fahrer heftet sich gleich an unsere Fersen und nervt ständig mit der selben Frage.

Nein, wir brauchen kein Taxi. Wir wollen unsere Räder! Wir müssen ins Aeroflotbüro. Immerhin zeigt er uns den Weg dorthin und glaubt anscheinend dafür irgendwann noch Geld von uns zu bekommen. Aus diesem Grund versuche ich auch ihn die ganze Zeit abzuschütteln. Ohne Erfolg – er folgt mir sogar bis auf die Toiletten...

Während Korbinian im Aeroflotbüro die Angelegenheit regelt, geht draußen gerade die Sonne auf und die ersten schneebedeckten 4000er Berge Kirgistans tauchen im Dunst auf. Dadurch, dass der Flughafen nur auf 600 Metern Höhe liegt, scheinen mir die Berge wie eine unendlich hohe Wand.

Deutsche Autos in Kirgistan

Er hätte zwei Kinder und sei selbst 35 Jahre alt. Schön! Ich versuche den Taxifahrer so gut es geht zu ignorieren. Dann kommt Korbinian endlich wieder und hat, wie die anderen Reisenden, die ihr Gepäck auf diesem Flug nicht erhalten haben, sogar 2200 Som (43 Euro) Entschädigung bekommen. Jetzt müssen wir jedoch zusehen, dass wir vom Flughafen wegkommen. Die beste Möglichkeit dafür wäre natürlich ein Taxi. Jedoch verlangt unser schielender und unliebsamer Begleiter der letzten Stunden 500 Som (10 Euro) für eine Fahrt ins dreißig Kilometer entfernte Bishkek. Viel zu viel! Mit einem polnischen Backpackerpaar wollen wir uns stattdessen ein anderes Taxi teilen, da diese zu ihrer Reiseagentur müssen. Glücklicherweise sprechen sie russisch, was bei der Organisation deutlich von Vorteil ist. Allerdings ist plötzlich ein Kerl da, der uns für 350 Som in die Stadt fahren will und wir willigen ein – und das, obwohl ich bei ihm ein ungutes Gefühl habe.

Als er sein Auto vorfährt, ist es eine alte Schrottkiste ohne Taxischild. Und ganz plötzlich steht da noch ein anderer Mann neben dem „Taxi“. Ich lasse die beiden Polen nachfragen, wer das sei, und es stellt sich heraus, dass es sein Bruder ist, der natürlich rein zufällig gerade ankam und nun mitgenommen werden sollte...

Nur zu gut habe ich noch den Satz im Kopf, den ich vor der Abreise im Internet gelesen habe: Steigt niemals in ein Taxi mit mehr als einer männlichen Person im Inneren. In der Vergangenheit kam es tatsächlich vor, dass die Männer dann den Fahrgast irgendwo in der Wildnis aussetzten und ihn ausraubten. Dementsprechend läuten alle Alarmglocken bei mir und ich berichte den beiden Polen von meinen Bedenken. Sie stimmen mir im Endeffekt zu. Lieber mehr Geld ausgeben und dafür eine sichere Fahrt genießen. Das seriöse Taxiunternehmen im Erdgeschoss des Flughafens verlangt sogar den selben Preis wie der potentielle Räuber, der einen cholerischen Anfall bekommt, als wir nicht mehr mit ihm fahren wollen. Er sei doch schließlich bei der Polizei gut bekannt! Seltsamerweise ist sein Bruder in dem Moment schon spurlos vom Erdboden verschwunden...

Im Endeffekt rasen wir mit 120 Sachen über die Straße, auf der nur 50 erlaubt ist. Und das alles ohne Sicherheitsgurte und in der Mitte der Fahrbahn. Die Sicht ist absolut klar und wir blicken auf die Berge, deren Spitzen immer schneebedeckt sind. Tausendfach aufgefaltet liegen sie dort vor uns. Wir sind hin und weg von der landschaftlichen Schönheit Kirgistans. An uns ziehen Eselsgespanne vorbei und uns begegnen Menschen auf alten Fahrrädern. Am Straßenrand verkaufen Menschen riesige Melonen und anderes Gemüse an ihren improvisierten Ständen. Wir wissen gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollen. Es gibt einfach so viel zu entdecken. Auch in Bishkek können wir nicht den Blick von all dem Fremden abwenden. Ich habe so langsam das Gefühl die Entscheidung hier her zu kommen war eine der besten meines Lebens.

Die Stadt ist unglaublich grün – und stinkt! Ampeln werden einfach ignoriert und die Hupe gehört zur Tagesordnung. Dann endlich erreichen wir das South Guesthouse und bekommen das Gemeinschaftsschlafzimmer gezeigt, welches für europäische Verhältnisse nicht sehr einladend aussieht. Uns ist das jetzt egal, wir wollen nur noch von der Straße weg und schlafen.

Der Eingang zum Gästehaus...

Nach kurzer Erholungsphase begeben wir uns mit dem Bus in die Stadt um unsere ersten Erledigungen zu machen. Dazu gehörte auch das Abholen unserer Permits für die Grenzregionen, die wir besuchen wollten. In der Reiseagentur weiß aber niemand etwas von uns. Heute gelingt auch nichts! Nach zehn Minuten kommt die Dame jedoch mit einem großen Umschlag wieder. Sie hätte ja nicht gewusst, dass ich Tristan Wegner bin. Puh!

Anschließend gehen wir Geld wechseln. Da der Kurs gerade bei 51 Som für einen Euro liegt, bekommen wir einen zehn Zentimeter dicken Geldstapel auf den Tisch gelegt, den wir erst einmal irgendwo am Körper verstauen mussten. Nachdem wir auch Land- und Postkarten, sowie eine Cola organisiert haben, machen wir uns per Minibus zurück auf den Weg zum Gästehaus. Wir verbringen den Abend mit einem Norweger, wobei wir uns viel zu erzählen haben. Er ist schon seit einigen Jahren am Stück unterwegs und besuchte Nepal, Tibet, Indien... die Liste ist in Wirklichkeit um einiges länger. Nachdem wir uns in der Gemeinschaftsküche das Abendessen gezaubert haben, fallen wir todmüde in die Betten. Was für ein Tag!

Inflation...