In die Wüste
vor Pass Kulak Ashuu - bei Bayetova

Der nächste Morgen bringt eiskalten Wind und bedeckten Himmel mit sich. Na klasse. Dank der Kälte haben wir unsere Sachen in Rekordzeit auf dem Rad und sitzen auf dem selbigem. Am Vortag hatten wir auf der Piste eine Linie aus kleinen, dorthin gelegten Steinen passiert. Eigentlich ein Zeichen für eine gesperrte Piste. Unsere Bedenken, ob die Route nach Bayetova nun überhaupt durchgängig befahrbar sein wird, wurden glücklicherweise schon in der Nacht zerstreut, da zwei Autos vorbeikamen.

An einer Jurte werden wir wieder einmal heran gewunken und lassen unsere Räder einfach neben der Straße liegen, da wir zunächst in ein Flusstal herabsteigen müssen, um dann auf der anderen Seite wieder hinauf zur Jurte zu gelangen. Mittlerweile haben wir so viel Vertrauen in das Land, dass es uns als vertretbar erscheint. Außerdem kommen hier sowieso kaum Menschen vorbei.

Als wir die Jurte betreten, schlägt uns wie immer die wohlige Wärme entgegen. Allerdings liegt die Frau unseres Gastgebers in mehrere Decken eingewickelt, da sie eine Mandelentzündung hat. Daneben liegen ein Dutzend an Medikamentenschachteln. Es sieht so als, als würde man hier in Selbsttherapie einfach alles nehmen, was man bekommt – in der Hoffnung, dass irgendetwas wirkt.

Gedeckter Tisch

Als unser Gastgeber erfährt, dass ich aus Hamburg komme, ist er sichtlich begeistert. Er war selber schon einmal mit dem Auto dort, erzählt er uns stolz. Weiterhin erfahren wir, was aus der Stutenmilch alles gemacht wird: Die normale Milch wird entweder so getrunken oder kommt in den Tee, dann kann durch Gärung entweder Kumys daraus gemacht werden, Ayran (Joghurt) oder Sahne. Ayran wird dann teilweise zu kleinen Bällchen geformt und luftgetrocknet. Das ganze heißt dann Kurut und wird teilweise als Snack verzehrt, teilweise wieder in den Joghurt gegeben. Auch die Sahne wird noch weiter verwendet, indem man sie erhitzt und dann Butter daraus macht. Beides, Sahne und Butter, isst man dann auf Brot.

Links frischer Kurut, rechts bereits getrockneter Ein tolles Geschenk... Korbinian schmeckt es nicht wirklich

Zum Abschied bekommen wir noch eine ganze Schachtel voll mit Kurut. Ich kann unseren Gastgeber gar nicht stoppen immer wieder eine Hand voll obendrauf zu legen. Und das, wo wir die Dinger doch nun gar nicht mögen...

Rote Felsen

Als wir weiter fahren, kommen wir durch einen extrem verfallenen Ort. Kaum eines der wenigen Häuser ist noch ganz. Und wenn, dann auch nur weil es mit irgendwelchem Schrott ausgebessert wurde. Trotzdem leben hier überall Menschen. Wir verweilen nicht lange und nehmen unseren zweiten Pass für heute in Angriff. Nach einigen steilen Abschnitten stehen wir dann endlich oben und es fängt gerade zu tröpfeln an. Die dunkle Wolke, die wir schon die ganze Zeit im Auge hatten, hat uns eingeholt. Nach dem Pass und einer kurzen Abfahrt ging es zu einem weiteren Pass hinauf und von oben haben wir dann endlich den Blick in Richtung Bayetova.

Die Landschaft ist atemberaubend, lässt sich aber aufgrund des Regens und der schlechten Sicht nicht als Foto einfangen. Zweitausend Höhenmeter trennen uns von der vor uns liegenden Landschaft und dementsprechend klein sieht alles aus. Der Landstrich hat den Charakter einer Wüste und unterscheidet sich damit einmal wieder grundlegend vom Rest Kirgistans. Zahlreiche ockerfarbene, kahle Berge, die im Laufe der Zeit durch Wind und Wetter zerlöchert wurden und bizarre Formen angenommen haben. Von oben sieht die Landschaft fast wie ein kleiner Grand Canyon aus. Wir machen uns schlussendlich an die Abfahrt, da das Wetter hinter uns immer bedrohlicher wird. Die Serpentinen nach Bayetova sind steil und steinig. Dazu kommt ein kleiner Orkan auf, der einen entweder fast in Richtung Abhang weht oder einem zumindest den ganzen Sand in die Augen weht, sodass man halb blind selbst in Richtung Abgrund steuert. Dementsprechend nervenaufreibend ist die Abfahrt und nachdem wir uns durch die Wüstenlandschaft und kleinen Sandstürme gearbeitet haben, stehen wir endlich in Bayetova. Und zu unserer Begeisterung gibt es sogar zahlreiche Läden hier. Endlich! Nach fast einer Woche Konsumabstinenz plündern wir den erstbesten Laden und irren anschließend noch eine ganze Stunde über den Basar und die anderen Läden, bis wir alles beisammen haben. Dabei werden wir ständig von einer Gruppe Kinder verfolgt, die alles, aber auch wirklich alles anfassen müssen. Natürlich gibt es in der Gruppe auch einen Jungen mit der größten Klappe, der mein Rad zum Spaß einfach einmal umwirft. Er hat allerdings Glück, dass ich zu dem Zeitpunkt gerade im Laden bin. Als Korbinian mir das anschließend erzählt, muss ich wohl bitterböse geschaut haben – jedenfalls ist er in dem Moment schon zweihundert Meter weiter und lässt sich auch anschließend nicht mehr blicken.

Es wird erstaunlich friedlich um uns herum, die Kinder stehen nur noch stillschweigend und beobachtend da. Jedoch wollen sie unbedingt, dass ich ihnen die englischen Aufdrucke ihrer T-Shirts vorlese: „Spiderman“, „Bad mad“ und was nicht alles darauf steht. Niedlicherweise versuchten sie die Namen sofort zu wiederholen, wenn sie erst einmal gehört haben, wie sie ausgesprochen werden.

Wir sind einigermaßen froh, als wir die Stadt wieder verlassen. Es ist ja normal, dass die Kinder interessiert sind, aber hier waren sie richtig aufdringlich. Oder kommt es uns nur so vor, weil wir so lange alleine waren?

Am Abend zelten wir in einem Flusstal, das ausnahmsweise einmal wieder dicht bewachsen ist. Dementsprechend fällt es uns nicht schwer für das Zelt einen Sichtschutz zu finden. Unter zahlreichen Mücken kochen wir uns etwas zu Essen und verziehen uns mit dem beginnenden Regen ins Zelt.