Wir schlafen aus, da wir jetzt eigentlich schon am fünfhundert Meter höher gelegenen See sein wollten, um dort einen Tag zu entspannen. Eigentlich. Aber wir sind ja nun noch hier. Gemütlich frühstücken wir und packen in aller Ruhe zusammen. Dabei erfreuen wir uns den zahlreichen blauen Lücken zwischen den Wolken. Endlich hat der Regen ein Ende.
Die Straße bergauf ist erstaunlich flach, da die Kehren erheblich langgezogen sind. So kurbeln wir ganz locker die wenigen Kehren hoch und haben kurz vor dem Pass einen herrlichen Blick auf die Wand mit ihren Kehren, die wir gerade bezwungen haben. Von hier oben sieht das Ganze viel gewaltiger und anspruchsvoller aus, als es tatsächlich ist. Allerdings merken wir mittlerweile auch deutlich unsere Konditionssteigerung und Akklimatisierung. Während wir am Anfang bereits ab 2500 Metern zu Keuchen begannen, bewegen wir uns jetzt ganz locker fast tausend Meter höher und reißen sogar noch unsere Witze während der Fahrt. Bis zur Passhöhe werden wir von einem Nomadenjungen begleitet, der gerade auf dem Weg zu seiner Schafherde ist. Vorher dürfen wir natürlich auch noch einmal auf seinem Esel Probesitzen. Im Sechsergespann ziehen wir sodann den Berg hinauf. Vorneweg ein junger Esel, ich hinterher, dann der Junge auf dem Esel, anschließend Korbinian und hinterher trottet der Hund.
Im Endeffekt verlassen wir die Jurte dann doch nur mit einem Brot, das sogar noch warm ist und dementsprechend unübertrefflich schmeckt. Keine paar Meter weiter werden wir gleich von einem interessierten Reiter abgefangen und ausgefragt. Ob das wohl Benzin in meiner Trinkflasche sei. Nein, verneine ich lachend, wir sind nur mit den Muskeln unterwegs. Die Gelegenheit einen Touristen mit Fotoapparat gerade griffbereit zu haben wird knallhart ausgenutzt. Rasch werden alle Freunde, die sich in Sichtweite befinden heran gewunken und wir bekommen die Adresse aufgeschrieben, an die wir das Foto senden sollen.
Dann sitzen wir endlich wieder auf dem Rad. Aber nicht für lange Zeit. Denn kaum ist der See mit seiner ganzen Pracht sichtbar, werden wir von einem alten Mann abgefangen, der uns mit seinem Fernglas schon längere Zeit beobachtete und es kaum erwarten konnte, dass wir endlich vor ihm stehen. Er lädt uns ein in seine Jurte zu kommen und Chay zu trinken. Wir zögern etwas, können wir es doch kaum erwarten dem See endlich näher zu kommen. Aber er lässt nicht mit sich reden. „Ihr kommt mit rein, wir trinken Chay und Kumys, essen Brot und dann könnt ihr auch gleich weiter.“ Der Alte sprüht so dermaßen vor Begeisterung, dass wir ihn einfach nicht enttäuschen können. Wir folgen ihm und seinen Enkeln zur Jurte, schütteln die Hände aller möglichen Leute und bekommen den versprochenen Tee. Während wir in der Jurte sitzen, textet er uns ununterbrochen zu. Wir verstehen zwar gar nichts, aber das scheint ihm egal zu sein.
Bevor wir wieder aufbrechen, werden noch einmal an die fünfzehn Leute aus allen umliegenden Jurten herangetrommelt. Familienfoto. Nach dem erneuten Versprechen die Fotos zu verschicken fahren wir weiter und werden schon wieder zu einer Jurte gewunken! Dieses mal lehnen wir aber ab. Irgendwann möchten wir auch einmal unsere Ruhe haben.
Auf einem Hügel stellen wir unser Zelt auf und genießen für den Rest des Tages den unglaublichen Blick auf den spiegelglatten See. Im Wasser werden die umliegenden Berge und der Himmel reflektiert. Die Berge vor uns sind teilweise sogar schneebedeckt. Während wir gestern im Regenloch saßen, hatte es hier teilweise geschneit.
Die Wolken hängen so tief, dass man fast das Gefühl hat sie greifen zu können. Vor uns breitet sich eine riesige Ebene aus, auf der vereinzelt ein paar Jurten stehen und man sieht teilweise Menschen auf ihrem Pferd reiten. Sie bewegen sich auf Grund der Entfernung so langsam, dass man fast glaubt sie würden sich gar nicht bewegen. Der Tag geht verträumt zu Ende und aus eigentlich zwei angedachten Ruhetagen für hier oben ist insgesamt nur ein halber geworden. Schade eigentlich. Hier oben hätte man locker zwei Tage verbringen können.