Ganz alleine in einem fremden Land
See Orma Tokouckoe - bei Kadji-Sai

Nach dem Frühstück brechen wir gemeinsam auf und radeln am Ufer entlang. Vor uns liegt der See mit seinem blauen Wasser und im Morgenlicht wirft jede einzelne Falte des Gebirgszugs ihren eigenen Schatten, was die Landschaft plastischer denn je aussehen lässt.

Am nächsten Morgen geht's weiter

Da der See in einer Senke gelegen ist, haben wir wieder einmal eine langgezogene Steigung zu bewältigen. Die flache Landschaft ist braungrau und es wachsen nur ein paar Sträucher auf dem trockenen Boden. Wir sind inmitten einer richtigen Halbwüste gelandet, an deren Rand sich die verbrannten und teilweise schneebedeckten Berge erheben.

Dann erspähen wir den Issyk-Kul hinter den Hügelkuppen. Dieser See ist nicht nur der größte in Kirgistan, sondern gleich der zweitgrößte Gebirgssee der Welt. Nur der Titicacasee in Südamerika ist noch größer. „Issyk-Kul“ bedeutet im kirgisischen übrigens „warmer See“, was nicht daran liegt, dass er tatsächlich warm ist, sondern durch den leichten Salzgehalt im Winter nicht zufriert.

Zusammen in der "Wüste"

Tiejo hatte schon am gestrigen Abend beschlossen, dass er dringend einen Ruhetag bräuchte und wollte es deswegen nicht mehr wagen mit uns bis Karakol jeden Tag an die Leistungsgrenze zu gehen. Als wir an der Abzweigung nach Balykchy ankommen, ist der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Per Handschlag verabschieden wir uns von unserem gerade neu gewonnenen Freund. Ein Abschied, der uns doch ein bisschen Wehmut beschert, da die Zeit mit Tiejo wirklich sehr amüsant und unkompliziert umgegangen ist. Nie hätte ich gedacht, dass man zehn Jahre Altersunterschied so wenig bemerken könnte wie in diesem Fall. Wir bedanken uns gegenseitig für die tolle Zeit miteinander und Tiejo macht sich von dannen um ein paar Tage auszuspannen und anschließend nach China zu reisen, wo er den Rest seiner Truppe treffen wird. Wie ich erst einige Tage später erfahren werde, wird Tiejo in Kashgar, China auf andere deutsche Reiseradler treffen.

Markus von den Radnomaden und „Benni auf Reisen“ kenne auch ich und bald stellt man in Kashgar fest, dass alle über den selben Tristan reden.
Erfahren werde ich von deren Begegnung jedoch nur, weil die deutschen Radfahrer jeweils einen Eintrag im Gästebuch meiner Homepage hinterlassen. Sie hätten da von einem Holländer von uns gehört...
Die Welt ist halt klein.

Als Tiejo verschwunden ist stehen wir plötzlich ganz alleine in der Halbwüste - ein seltsames Gefühl. Durch Tiejos große Reiseerfahrung fühlten wir uns häufig etwas an die Hand genommen, was sehr gut tut wenn man zum ersten Mal in einem solchen Land unterwegs ist. Aber um unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln ist es eben auch unumgänglich auf sich selbst gestellt zu sein.

Unsere Wege trennen sich... Am Issyk-Kul

Da uns schon längere Zeit das Wasser ausgegangen ist, erreichen wir halb vertrocknet das nächste Dorf, in dem es natürlich keinen Laden gibt. Nachdem ich ein paar Kinder gefragt habe, zeigen sie uns allerdings den Weg zum Dorfbrunnen. Sicherheitshalber filtern wir das Wasser noch einmal. Das erregt natürlich die Aufmerksamkeit der Kinder und bald sind wir, ein Minigespräch führend, von ihnen umringt. Als sie erfahren, dass wir aus Deutschland kommen, hageln Namen auf uns ein: „Adolf Hitler! Berlin! Oliver Kahn!“

Anschließend geht es viel geradeaus und wir genießen die leicht hügelige Landschaft mit ihren gelben Rapsfeldern. Dahinter liegt gleich der tiefblaue Issyk-Kul und in der Ferne ragen die hohen Berge auf, hinter denen Kasachstan liegt. Auf der anderen Seite ragen zunächst erst flach, dann immer deutlicher, die Berge des Tien-Shan auf.

Fast schlagartig ändert sich die Landschaft vom satten grün in karge Erosionsformen. Das Wasser hat im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche kleine Canyons neben der Straße entstehen lassen. Mittlerweile befindet sich jene auch nicht mehr direkt am Seeufer, sondern entfernt sich immer weiter ins Landesinnere, um dreihundert Höhenmeter zum nächsten Pass zu überwinden.

Grüne Landschaft am Issyk-kul

Während der extrem schweißtreibenden Auffahrt, werden wir von einem Reiter mit seinem Sohn auf Eseln begleitet. Immer wieder treiben sie die Tiere an um mit uns Tempo halten zu können. Als die normalen Tritte nicht mehr reichen, hebt der Vater einen alten Schlauch vom Straßenrand auf und prügelt damit beständig auf das arme Tier ein, das jetzt wie die Post abgeht. Auf dem Pass werden wir von allen Leuten an ihren Ständen gefragt, ob wir Chay wollten. Jedoch sind diese „Einladungen“ alle kommerziell gedacht, sodass wir ablehnen. Nach einer rasanten Abfahrt, bei der die Landschaft wieder richtig grün ist und von schneebedeckten Bergen überragt wird, erreichen wir total fertig den Issyk-Kul und beschließen an einem abgelegenen Strandstück zu campen. Nach einer Wäsche im See lassen wir uns inmitten tausender Ameisen nieder – natürlich ohne Zelt. That’s part of the adventure.

Endlich bergab Touristenparadis am See Sonnenuntergang