Am nächsten Morgen ist das Zelt klitschnass. Als gerade die Sonne aufgeht, geht am Strand jemand mit seinem Hund spazieren. Verdammt! Ich wollte doch auf sein, bevor hier andere Leute auftauchen.
Nachdem ich alles zusammengepackt habe versuche ich mein Fahrrad wieder einmal durch den weichen Sand zu „schieben“. Mit dem Ergebnis, dass Kette und Felgen voller Sand sind, als ich wieder auf der Straße ankomme. Mit einem Lappen säubere ich die beiden Teile notdürftig und folge dann dem auf und ab der Küstenstraße. Links und rechts zur Straße stehen zahlreiche potthässliche und verlassene Ferienanlagen. Zu dieser Jahreszeit ist hier alles ruhig. Auch der Supermarkt hat noch geschlossen. Schließlich beginnt hier die Saison frühestens im Mai.
Nach mehreren Kilometern des Hungerns finde ich endlich eine Bar und leiste mir zwei Croissants sowie ein belegtes Brötchen. Das war aber auch allerhöchste Zeit! Ich hatte absolut keine Nahrung (von Nudeln einmal abgesehen) bei mir, da ich bis jetzt noch nicht zum Einkaufen kam und die Versorgungslage bis jetzt auch denkbar schlecht war.
In den Vororten von Olbia finde ich endlich einen Supermarkt und kaufe erst einmal richtig ein. Und das während mein vollbepacktes Rad draußen vor der Tür steht. Ich hoffe einfach, dass niemand auf die Idee kommt mein Gepäck nach etwas wertvollem zu durchsuchen. Vor allem nicht der Straßenhändler, welcher keine 10 Meter weiter seinen Stand voller Ramsch aufgestellt hat. Über Kopfsteinpflaster der übelsten Kategorie geht es aus der Stadt raus. Wieder am Flughafen vorbei. Nun beginnt der eigentliche Weg gen Süden auf der „Orientale Sarda“. Diese Straße mit der Nummer 125 verläuft immer entlang der Ostküste Sardiniens von Palau im Norden bis Cagliari ganz im Süden der Insel.
Der Wind kommt heute ungünstigerweise die ganze Zeit von vorne und so arbeite ich mich entlang der nicht besonders reizvollen Straße vorwärts. Erst in Porto S. Páolo eröffnet sich der Blick auf eine einsame Bucht und die Insel „Isola Tavolara“. Diese Insel ist gerade einmal einen Kilometer breit und erhebt sich dementsprechend extrem steil bis auf 560 Meter.
Sardische Landschaft, die Isola Tavolara |
Im Ort San Teodoro irre ich umher und suche eine kleine und ruhige Straße in Richtung Süden. Dabei übersehe ich einen schlafenden Hund am Straßenrand und überfahre ihn halb. Unter lauten Gebell springt er auf und läuft mir hinterher. Er erschreckte sich wohl mindestens so heftig wie ich mich.
Keine hundert Meter weiter wartet schon der nächste kleine Kläffer auf mich. Während das Frauchen noch hinter ihm her ruft, flitzt er schon vom Grundstück herunter und mir hinterher. Ich trete in die Pedale und entkomme ich nach kurzem Sprint glücklicherweise.
Dann steigt die Straße steil an und ich schwitze in der Mittagssonne tierisch. Am Pass angekommen weht mir jedoch wieder eine steife Brise entgegen und ich lasse mich abwärts rollen bevor ich mich am Straßenrand zum zweiten Frühstück niederlasse. Anschließend geht es über kleine Straßen durch die flacher werdende Gegend. Nur auf einem isolierten Hügel erhebt sich die Burg der Ortschaft Posada. Neben der Straße gibt es viele Wiesen und Möglichkeiten zum Wildcampen. Da es aber noch relativ früh am Nachmittag ist, beschließe ich ganz gemütlich bis La Caletta weiterzurollen. Dort drehe ich ein paar Runden durch den Ort und frage einige Passanten, ob es hier vielleicht einen Campingplatz gebe. Achselzucken. Irgendwie gerate ich auf einen einsamen Weg außerhalb des Ortes und komme an einem Haus vorbei, wo ein alter Herr gerade seine Gartenarbeit verrichtet. Ob es hier einen Campingplatz gäbe? Keine Ahnung. Aber er will einmal seine Frau fragen, die könnte so etwas vielleicht wissen. Die etwas zahnlose und zweifelsohne alte Frau hat jedoch auch keine Idee. Doch sie ist sehr bemüht und fragt noch die Nachbarn. Die haben jedoch auch keinen blassen Schimmer. Trotzdem gibt sie nicht auf. Wir wollen es noch bei den nächsten Nachbarn probieren. Während die alte Frau Schritt für Schritt die holperige Straße langsam vorangeht, schiebe ich mein Rad nebenher.
„Kann ich nicht vielleicht dort links auf der Wiese campen?“
„Ja, hast du denn ein Zelt?“
„Aber sicher! Ein Zelt habe ich. Es wäre ja auch nur für eine Nacht...“
Die Antwort, die ich erhalte ist tatsächlich ein „Ja“. Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Nachdem ich den beiden versichert habe, dass ich auch ein braver Junge bin, darf ich mein Zelt aufstellen. Und falls ich duschen möchte - das Bad ist gleich nebenan. Wahnsinn!
Nach dem allabendlichen Kontrollanruf bei meiner Mutter schreibe ich etwas Tourtagebuch. Dann kommt die alte Dame heraus und bittet mich doch ins Haus zu kommen. Sie hätte schließlich das Kaminfeuer vorbereitet. Ich sage nicht nein und kurze Zeit später sitzen wir zu dritt in der winzigen Küche. Der Kamin, welcher die einzige Heizquelle im Haus ist, strahlt wohlige Wärme ab und wir unterhalten uns mit meinen wenigen Italienischkenntnissen. Da Vichi und ihr Mann jedoch nur sardisch sprechen, welches sich ein wenig vom Italienischen unterscheidet, wird die ganze Angelegenheit etwas komplizierter. Nebenan, im winzigen Wohnzimmer, laufen italienische Quizshows und Vichi bereitet nebenbei selbstgemachte Nudeln zu. Schließlich ist am kommenden Sonntag ein großes kirchliches Fest und dann sollen diese gegessen werden.
Meine Gastgeber |
Später kommt der Bruder meiner Gastgeberin mit seiner Frau vorbei. Die lebte sogar für längere Zeit in Belgien und kann daher ein paar Brocken deutsch. Während Kaffee aufgebrüht wird kommen auch noch Giovanni und seine Mutter vorbei. Giovanni ist der aufgeweckte, elfjährige Enkel von Vichi und dementsprechend sehr an dem fremden Gast seiner Großeltern interessiert. Wir unterhalten uns über seine Schule in Genua, wo er gerade ein bisschen Englisch lernt und über meine weitere Route. Dabei sind sich alle einig, dass es viel zu weit ist um bis nach Cagliari innerhalb einer Woche zu fahren. Wir werden sehen...
Anschließend gibt es noch Spaghetti Bolognese und man bietet mir sogar an, dass ich auch im Haus schlafen könnte, da die Nacht sicher sehr kalt werden würde. Ich habe große Probleme das großzügige Angebot zurückzuweisen, da man mir einfach nicht glauben will, dass der Schlafsack warm genug ist. Am Ende ziehe ich mich gut gesättigt in mein Zelt zurück und lege mir die Decke, die ich eben noch von Vichi bekommen habe als Kopfkissen unter.
Ausgaben:
3,70 € Frühstück in einer Bar
11,12 € Lebensmittel