Unterkünfte
Die Hauptunterkunft sollte auf dieser Reise eigentlich das Zelt sein. Allerdings habe ich es nicht geschafft, so oft wie eigentlich geplant zu zelten. Zu sehr reizte mich der Gedanke an eine Pension, ein warmes Bett und eine heiße Dusche, so zog ich diese das eine oder andere Mal (zu oft) vor. Interessant daran ist nun aber, dass ich in fast jedem Ort, in dem ich spontan übernachten wollte, eine Unterkunft bekommen habe. Nur in einer Pension bekam ich eine Absage, da alles voll war. Für die Hauptferienzeit ist dies höchst verwunderlich. Die Preise tendierten dabei von ungeheuerlich teuer bis zum Schnäppchen. Insbesondere die Toskana und vor allem das Chianti haben die höchsten Preise. Jedoch waren die Preise auch am Gardasee verständlicherweise nicht gerade günstig. Die Ausstattung der Zimmer im Preis-Leistungsverhältnis reichte dabei von unter aller Kanone bis sensationell gut.
Campingplätze sind überwiegend an der Küste vorhanden und im Landesinneren eher selten anzutreffen. Jedoch war das Wildzelten oft kein Problem, da sich immer genügend Stellen (außer in der Crete!) anboten. Besonderes Schmankerl in den Nationalparks: Hier gibt es extra eingerichtete Stellen, an denen man „wild“ campieren kann. Denn hier ist das Zelten legal und trotzdem kostenfrei. Der Nachteil ist nur, dass diese Plätze in keinem Campingführer eingezeichnet sind und in der Regel nur daran erkannt werden können, dass hier andere Zelte oder Wohnwagen stehen. Stellen, die wir gesehen haben, waren:
Mitten auf dem „Piano Grande“, an der Straße
Rund um den „Lago Campotosto“, speziell am Ostufer
2x Auf dem „Campo Imperatore“, 13 km von Castel del Monte entfernt, angschl. Kiosk
Zeltet man in den Nationalparks trotzdem wild, sollte man auf die Ranger aufpassen, welche in ihren speziellen Jeeps unterwegs sind. Ob sie Jagd auf solche Camper machen, wissen wir allerdings nicht genau. Ein angetroffenes Paar hatte keine Probleme mit ihnen.
Wetter
Wenn es einen Wettergott gibt, dann fährt er anscheinend auch Fahrrad. Drei Wochen bombiges Wetter ließen den zweifelnden morgendlichen Blick nach dem Wetter ausfallen. Es bringt einfach Spaß, wenn man weiß, dass das Wetter auf jeden Fall gut werden wird. Außerdem möchte ich gar nicht wissen, was ich an tollen Landschaften verpasst hätte, wenn das Wetter einmal schlecht gewesen wäre. Interessant war hinterher zu hören, dass das schlechte Wetter einen Tag nach meiner Alpenüberquerung dort Einzug hielt.
Die Temperaturen bewegten sich erwartungsgemäß im oberen Bereich. In der Regel zwischen 30 und 38 Grad. Ab Florenz war es so heiß, dass man in der Mittagszeit von 13.00 bis 15.00 Uhr nicht Rad fahren konnte/sollte/wollte. Stattdessen zogen wir eine gemütliche Siesta vor um zu regenerieren. In den Höhenlagen wurde es nachts jedoch empfindlich kalt. Ein einfacher Sommerschlafsack ist in Höhen ab 800 Metern dann einfach zu wenig. Das Problem lösten wir, indem wir in Kleidung schliefen. Ein weiterer anzusprechender Punkt sind die Sichtweiten. Von einem Bekannten erfuhr ich vor der Reise, dass er im Vorjahr extrem schlechte Sicht hatte. Besonders in der Toskana hing ein grauer Dunstschleier vor über der Landschaft und man konnte nur wenige Kilometer weit schauen. Durch den Jahrhundertsommer dieses Jahr mit seiner lang anhaltenden Hitze, wenigen Niederschlägen und dadurch der extrem niedrigen Luftfeuchtigkeit hatten wir jedoch Sichten, die mit dem Frühjahr oder Herbst zu vergleichen sind. Dementsprechend war die Luft auch nur sehr selten drückend und schwül.
Fahrrad & Technik
Nach der Tour „Mittelmeer in sechs Tagen“ hatte ich wegen der vielen Reifenpannen nun vorgesorgt und hatte drei Pakete Flickzeug dabei. Unglücklicherweise waren fast alle Platten irreparabel, sodass jedes Mal der gesamte Schlauch gewechselt werden musste. In Siena bekamen wir in einem Fahrradladen jedoch ohne Probleme Ersatz. Da Italien das Mutterland des Radsports ist, muss man sich um eine Ersatzteilversorgung sicherlich keine Gedanken machen. Trotzdem haben wir Fahrradläden nur in den größeren Städten wie Siena, Florenz, oder Viterbo gesehen. Begibt man sich jedoch in die einsamen Nationalparks, ist es sicherlich ratsam Ersatzspeichen und Zahnkranzdemontierwerkzeug mitzuführen.
Bis auf die angesprochenen Platten und der Tatsache, dass sich mein Zahnkranz löste, hatten wir glücklicherweise keine Probleme. Auch mein neues und selbstzusammengebautes Rad hat sich bestens bewährt.
Landschaft
Bei dieser Reise wüsste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte um all die sensationellen Landschaften aufzuzählen. Die Alpen sind sicherlich ein besonderes Erlebnis. Besonders wenn man die deutschen Alpen verlässt, die im Gegensatz zu den österreichischen wegen ihrer Höhe eher wie ein Mittelgebirge erscheinen. Auch das Etschtal bietet mit seinen schroffen Wänden, durch die der Fluss im Laufe der Jahre durchbrach, genau wie der Gardasee große Schönheit.
Dass die Poebene landschaftlich nicht besonders attraktiv erscheint, mag man sich sicherlich vorher denken können. Eigentlich hatte ich auch geplant für diese Strecke den Zug zu nehmen und habe mich über meine Entscheidung es nicht zu tun später tierisch geärgert. Der Tipp ist also: Zug!
Auch der Apennin, welcher sich einmal quer über die Halbinsel erstreckt, bietet an vielen Stellen große Reize. Wer es also bergig mag, der sollte diesen nicht auslassen.
Ein Highlight ist die Landschaft ab Florenz. Zuerst geht es durchs Chianti, dann durch die Crete. Erst am Monte Amiata, an dem die Südtoskana beginnt, wird die Landschaft wieder flacher und eintöniger. Chianti und Crete leben von den vielen hohen Hügeln, die die Gegend sehr attraktiv jedoch auch extrem anspruchsvoll werden lassen. Trotzdem ist sie für jeden Italienreisenden eigentlich ein Muss. Grün ist die Crete nur bis Juni, danach von der Sonne braungelb gebrannt. Aber Achtung: Mitte bis Ende Juli werden die Felder umgepflügt und die Landschaft ist nur noch grau und keinesfalls spektakulär!
In Umbrien, welches viel stärker begrünt ist als die Toskana, schließt sich ein neues Highlight an. Die kilometerlange Hochebene Piano Grande im Nationalpark Monte Sibilini reizt mit Einsamkeit und ihr fremdländisches Aussehen. Auch das bei Radfahrern sehr beliebte Valnerina, bietet sehr hohe Berge, die sich gemütlich im Tal fahrend genießen lassen.
Am ursprünglichsten, einsamsten und schönsten ist der Apennin eindeutig in der Provinz „Abbruzzo“. Hier liegen die höchsten Bergspitzen Italiens und die abgeschiedene Hochebene „Campo Imperatore“, welche touristisch so gut wie gar nicht erschlossen und damit ein absoluter Geheimtipp ist. Endlose Weiten, eine sehr traditionsbehaftete Bevölkerung und die Abgeschiedenheit sind Grund genug die Strapazen der Auffahrt auf sich zu nehmen.
Menschen
Auf dieser Reise habe ich erneut viele Bekanntschaften gemacht. Viele Fahrradtouristen der verschiedensten Nationalitäten, aber auch viele Italiener, mit denen man auf die verschiedensten Weisen ins Gespräch kam. Entweder wurde man angesprochen oder es entwickelte sich ein Gespräch mit den Angestellten in Hotels und Campingplätzen. Ohne Ausnahme waren alle angetroffenen Menschen sehr hilfsbereit und ungeheuer freundlich. Vielleicht trug auch der zu dieser Zeit gerade herrschende deutsch-italienische Konflikt dazu bei.
Besonders angenehm war es, dass viele Italiener begeistert von uns Radreisenden waren. Wahre Hupkonzerte, nach oben gestreckte Daumen oder voller Lebensfreude steckende Parolen motivierten uns. Auch für die vielen grüßenden Rennradfahrer hatten wir immer ein freundliches „Ciao“ parat. Insgesamt gefiel uns auch der Lebensstil der Italiener. Alles schien hier viel weniger bürokratisch und lockerer. Allerdings hat das auch so seine Schattenseiten denkt man einmal an den Verkehr oder die Politik.
Um die Italiener jedoch auch so erleben zu können, wie wir es konnten, sollte man wenigstens ein bisschen von der Sprache beherrschen. Nicht nur, dass es das Urlaubsgefühl intensiver macht viele Italiener können kein Englisch. Auf den größeren Campingplätzen und Hotels sprach man zwar häufig Englisch, allerdings waren solche Situationen auf die Gesamtheit gesehen eher eine Seltenheit. Sogar in den größeren Städten (in unserem Beispiel war es Viterbo) konnte man kein Englisch.
Nur in Südtirol sollte man sich mit dem Italienisch zurückhalten. Die Menschen sprechen es zwar, meist jedoch nur widerwillig. Tut man es trotzdem, ist man häufig gar nicht mehr gern gesehen.
Tierwelt
Geckos, Schlangen und dicke Brummer sind die Tiere, die einem am ehesten auffallen, wenn man in Italien ist. Vor allem mit den Schlangen sollte man ein bisschen Acht geben, da wir zweimal beinahe auf eine draufgetreten wären. Auch sollten die Radtaschen über Nacht geschlossen werden, wenn man am nächsten Morgen keine mit auf die Reise nehmen will. So bleiben auch die Käfer und Spinnen diesen fern.
Im Apennin leben noch vereinzelt Wölfe und in den Abruzzen auch Braunbären. Jedoch sind die Bären nur noch in stark dezimierter Form vorhanden und verhalten sich auf Grund schlechter Erfahrungen mit dem Menschen sehr scheu und distanziert. Eine echte Bärengefahr besteht also nicht.
Reisezeit
Mai und Juni sind optimale Monate für eine Reise nach Italien. Das Wetter kann schon (muss aber nicht) so konstant sein wie im Sommer und die Sichten sind in der Regel gut. Die Temperaturen spielen sich im erträglichen Bereich ab. Hochebenen stehen zu dieser Zeit in voller Blüte, die Crete ist noch grün.
Im Juli wird es südlich von Florenz über Mittag unerträglich heiß. Fazit: Kann man machen, dann aber mit zwei Stunden Siesta und viel Trinken. Zudem sind die Sichten im Hochsommer meist schlecht (ja, ich erwischte die Ausnahme!).
Ab August ist die Landschaft von der Sonne verbrannt und selbst Umbrien ist mehr braun als grün. Wie bereits erwähnt, ist die Crete dann umgepflügt und kein Augenschmaus mehr.
Straßenverhältnisse
Für Radreisen empfiehlt sich die Karte von Kümmerly&Frey im Maßstab 1:200 000. Informationen über Straßenzustand, Entfernungen, wichtige Steigungen und Höhenangaben sind vorhanden. Über Vegetation gibt die Karte keinen Aufschluss. Mit einiger Übung lässt sich dafür voraussagen, welche Straßen nur wenig befahren sind. Schlecht zu erkennen ist jedoch die Topografie. Fast immer sieht die Strecke relativ flach aus, was in der Realität jedoch ganz und gar nicht der Fall ist. Dann muss man sich auf die Höhenangaben verlassen, und sobald man die Landschaft vor Augen hat und sie mit der Karte vergleichen kann, fällt es auch nicht mehr schwer Steigungen zu prognostizieren.
Der Straßenzustand ist in Italien größtenteils in Ordnung. Jedoch sind vor allem die kleineren Straßen oft von großen Rissen und riesigen Schlaglöchern durchzogen, die Abfahrten zur Hölle machen können. Auffallend ist, dass viele kleinere Straßen in Italien zwar breit ausgebaut sind, jedoch nur wenig Verkehr führen. Dafür machen sie meist einige Umwege. Meiden sollte man nur die auf der Karte rot eingezeichneten Nationalstraßen. Vor allem wenn sie auch noch vierspurig sind, wird das Fahren neben Lastern und rasenden Autos zur Hölle.
Fazit
Einsame Spitze! Das war sie wirklich, die Tour.
Landschaft, Wetter und das unvergleichliche italienische Flair haben diesen Urlaub stark aufgewertet. Und Italien ist einfach ein tolles Land. Abwechslungsreiche Landschaft, welche teilweise gar nicht mehr italienisch anmutet, der mediterrane Lebensstil und das fast immer gute Wetter macht es zu einem perfekten Urlaubsland. Nur genügend Kondition sollte man mitbringen, da Italien fast nur aus Bergen besteht. Also, wann geht’s wieder hin?
Meinungen zu Tour und Bericht im Radreise & Fernradler Forum