Am Morgen wachen wir gut durchgefroren auf und verlassen nach dem allmorgendlichen Einkauf die Stadt. Während wir beide hoffen, dass Christians Knie heute wieder mitmacht, geht es bergauf nach Arcidosso. An den Felswänden sonnen sich bereits die ersten Geckos. Mir springt beim Herunterschalten die Kette vom größten Zahnrad in die Speichen und verklemmt sich anschließend zwischen Zahnkranz und den Speichen. Verdammt! Nach einigem Gefummel und dreckigen Händen kann es weiter auf der kurvigen Straße bergauf gehen. Christian findet auch die beste Medizin für seine Knie. In Bewegung bleiben lautet seine Devise, da sich die Schmerzen nach jeder längeren Pause wieder zurückmelden. Nach einem zweiten vorsichtigen Versuch in den kleinsten Gang zu schalten und dessen Misserfolg sind wir am Monte Amiata vorbei.
Am Monte Amiata vorbei |
Hoch über einem Flusstal zieht sich unsere Straße fast waagerecht hin. Durch die Vulkanasche hat sich im Laufe der Zeit rund um den Vulkan eine weiche Tufflandschaft gebildet, in die sich die Flüsse tief eingeschnitten haben.
Mit Blick auf die Südtoskana, welche allerdings fast genauso wie die Nordtoskana aussieht, rollen wir in der Mittagshitze bergab. Weiter in Richtung Süden beginnt bald die Maremma mit ihren ausgedehnten Pinienwäldern. Leider führt unsere Route dort nicht entlang. Stattdessen haben wir eine endlos lange, schnurgerade Straße vor uns, auf der Christian sich mal wieder einen Platten fährt. Trotz einer halben Stunde Pause, die durch das Flicken entstanden ist, fühlen wir uns ausgelaugt und brauchen endlich unsere Siesta. Die Vegetation der nun endenden Toskana ist bereits umgeschlagen, und anstatt kahler Hügel finden sich zahlreiche Bäume und andere Grünpflanzen an. Zwischen den Pflanzen ragen immer wieder lange, antik aussehende Mauern heraus. Weiter führt uns die Straße an einer durchlöcherten Felswand vorbei, welche anscheinend einst als Wohnraum genutzt wurde. Eindeutig befinden wir uns in einer der kulturschatzreichsten Regionen Italiens, dem alten Lebensraum der Etrusker.
In den Ort Sovana, wo wir Siesta machen und welcher, wie so vieles schon auf dieser Reise, ein echter Glücksgriffist, führt eine Kopfsteinpflasterstraße hinauf. Der Ort an sich ein Zeugnis etruskischer Lebenskultur, wie es schöner nicht sein könnte. Zahlreiche Häuser aus der damaligen Zeit, größtenteils saniert, jedoch teilweise leider auch verfallen. Die kleine Straße muss nur wenige Touristen aushalten und so verliere ich beim Schlendern entlang der Sträßchen fast die Zeit aus den Augen und träume mich in eine weit entfernte Zeit zurück. Bereits im 4. Jahrhundert vor Christi Geburt lebte dieses Volk mit seiner hochentwickelten Kultur.
Sovana... | ...eine alte Stadt der Etrusker |
Nachdem Christian einen weiteren Platten für heute hat, führt uns die Route nach Pitigliano, welches die Krönung etruskischer Baukunst ist. Wie fast alle etruskischen Städte, erhebt auch diese sich weit über das Umland. Bevorzugt auf Bergkuppen oder Tuffplateaus legten die alten Baumeister ihre Städte an. Die altertümlichen Häuser drängen sich dicht an dicht die Felswände hinauf. Es scheint, als ob die Gebäude aus den Felsen förmlich herauswachsen. Gleich daneben der hundert Meter tiefe Abgrund. Hinauf führt eine steile, sich mehrmals windende Straße, die wir im Wiegetritt hinaufstrampeln und oben dafür das Lob eines beeindruckten amerikanischen Ehepaars bekommen.
Pitigliano... | ...mit den dicht an den Fels gedrängten Häusern |
Über eine mehrere Kilometer leicht ansteigende Straße radeln wir, bis es noch einmal kurz und kräftig hoch zum „Passo della Montagnola“ geht. Während der Auffahrt überholen wir einen Rennradfahrer, der uns begrüßt, uns „Dura!“ es zieht sich hin zuhechelt und vorbeifährt.
Bei der anschließenden Abfahrt haben wir im Abendlicht bereits die ersten Blicke auf den großen Lago di Bolsena. Wir wählen die ruhige Route am Südrand des Sees vorbei, da wir hier weniger Touristen und Gewühl erwarten. Leider scheint es dort dementsprechend auch keine Saison zu geben: Der Campingplatz ist eine einzige Baustelle und damit geschlossen. Ein Hotel gibt es im ganzen Ort Capodimonte nicht. Als ich eine nette Polizistin frage, weiß selbst diese keinen Rat. Erst in einem Gespräch mit einem Anwohner erfahren wir von einem Bed & Breakfast, drei Kilometer in der Richtung aus der wir gekommen sind.
Lago di Bolsena | Capodimonte |
Bei unserer Ankunft in der Dämmerung ist jedoch auch diese Pension mit Ausnahme auf ein Zimmer, eine einzige Baustelle. Unter der Bedingung, dass wir uns an der Baustelle außerhalb der Zimmertür nicht stören, lässt uns die Besitzerin hier übernachten und das, obwohl die Pension offiziell gar nicht geöffnet ist. Glück gehabt wie schon so oft.