Am Morgen ist es wieder einmal unangenehm kalt und wir gönnen uns zum Aufwärmen einen heißen Tee. Nebenbei genießen wir die noch im Morgenlicht schlafende Landschaft. In der Ebene hängen vereinzelt ein paar Nebelschwaden, die Sonne erreicht das Tal mit ihren Strahlen nur teilweise. Und es ist ganz Still. Man hört absolut nichts. Kein Rauschen des Windes, keine Menschen, keine Autos. Nur ganz vereinzelt bellen die hier lebenden Hunde in der Ferne. Die Große Stille - der Name passt wirklich perfekt.
Morgennebel | Tee gegen die Kälte | On the Road |
Während wir zusammenpacken, spricht uns ein Mann mit starkem Dialekt an, warum wir denn schon wieder los wollen. Als ich ihm schildere, dass wir weitermüssen, da wir heute noch nach Campotosto und in vier Tagen in Pescara sein wollen, kann er es nicht nachvollziehen.
Dann rollen wir mit unseren bepackten Rädern warm eingepackt los über die schnurgerade Straße und biegen nach rechts ab, die Straße beginnt leicht zu steigen, da wir wieder aus dem Talkessel über einen Pass hinaus müssen. An uns ziehen kleine Felder mit Mohnblumen und blauen Blüten vorbei. Einen Monat früher, wenn die ganze Ebene in Blüte steht, muss es hier oben auch wundervoll sein. Immer höher arbeiten wir uns, die letzten Blicke fallen auf die kleiner werdende Ebene. Dieser Abschied fällt schwer.
Distelsträucher | Blumenmeer auf der Ebene |
Oben treffen wir auf ein Paar mit dem ich mich erst auf italienisch unterhalte, doch dann stellen wir fest, dass sie aus den Niederlanden kommen und wir beide Englisch können. Nebenbei fällt der Blick auf die Südseite des Passes. Wolken und extrem schlechte Sicht. Die beiden erzählen uns, dass sie schon längere Zeit hier sind und bis jetzt auf der Adriaseite immer viel schlechteres Wetter herrschte. Wir haben jedoch Glück gehabt den Pass überhaupt überqueren zu können, da die beiden hier im Juli auch schon einmal so viel Schnee hatten, dass die Passstraße unbefahrbar war.
Auffahrt zum... | ...schroffen Pass. |
Anschließend folgt die steile und lange Abfahrt bis ins nächste Dorf, wo wir in einem kleinen Laden einkaufen und uns nach dem nächsten Bankautomaten erkundigen, da mir bereits seit Tagen das Geld ausgegangen ist. Im nächstgrößeren Ort, wo es einen Automaten geben soll, finde ich diesen trotz ständigen Fragens und langen Suchens nicht.
Wieder auf 600 Metern, steigt die nur sehr wenig befahrene Nationalstraße gemächlich an, und wir kommen schnell voran. Erst nach Amatrice hin steigt die Straße stärker und bei einer Pause stelle ich mich zunächst unbemerkt direkt in eine Ameisenstraße, so dass die blöden Viecher mir bis zum Bauch hoch krabbeln und sich kaum wieder entfernen lassen wollen.
In Amatrice finden wir endlich unseren Bankautomaten, können jedoch nur wenig Geld abheben, da das Tageslimit an allen drei Banken fast erschöpft ist. Obwohl es bei fast bedecktem Himmel heute recht kühl ist, machen wir bei Sandwichs, Cola und Eis unsere Siesta in einer Tratotteria. Der Besitzer, und vor allem sein kleiner Sohn, ist sehr interessiert an unserer Radreise und fragt mir Löcher in den Bauch. Allerdings ist das nicht negativ gemeint. Ich freue mich jedes Mal, wenn jemand Interesse zeigt und uns anscheinend, nicht um die Strapazen, aber die Sache an sich, beneidet.
Das Magnum hat ganz schön reingeschlagen und beim Weiterfahren haben wir kaum Kraft am Berg. Mit einigen Pausen und gegenseitiger Motivation schaffen wir den langen und letzten Anstieg für heute jedoch.
Die Landschaft ist ungewohnt grün und nur leicht geschwungen, als wir unsere letzten Kilometer zum Lago di Campotosto rollen. Der See bietet ein beeindruckendes Panorama, da an seinem Ende direkt die höchsten Berge Italiens aufragen. Leider bleibt dieses durch den Dunst heute ein bisschen getrübt. Da wir früh dran sind und den phantastischen Blick genießen möchten, pausieren wir an einem Rastplatz mit Panoramablick für eine Stunde. Im einzigen und winzigen Ort innerhalb vieler Kilometer, Campotosto, finden wir eine Pension für nur fünfzehn Euro und bleiben natürlich sofort. Die Räder dürfen wir in den Flur neben die Rezeption stellen. Am Abend gibt es Pizza und die Wettervorhersage für den nächsten Tag - welche recht ernüchternd ist. 70% Regenwahrscheinlichkeit und Wolken am Nachmittag. Na Prima!
Vor dem Einschlafen schreibe ich noch etwas Tagebuch und schlafe todmüde mit dem Stift in der Hand über dem Buch ein. Erst als Christian mich weckt, lege ich die Sachen beiseite und wir gehen schlafen.